Iran droht Westen mit Vergeltung
Unmittelbar vor der Münchner Sicherheitskonferenz verschärft Iran den Ton im Atomstreit: Ajatollah Ali Chamenei hat Vergeltung für die internationalen Sanktionen angekündigt. Sein Land habe seine "eigenen Drohungen". Die USA halten einen Angriff Israels auf Teheran schon im Frühjahr für möglich.
Washington - Im Streit um Irans kontroverses Atomprogramm scheint eine Einigung weiter entfernt denn je. Das Land wird nach den Worten seines geistlichen Oberhaupt Ajatollah Ali Chamenei dem internationalen Druck nicht nachgeben und an seinem Atomprogramm festhalten. Stattdessen drohte Chamenei am Freitag mit Vergeltung für die Sanktionen gegen die iranischen Ölexporte.
Drohungen gegen Iran würden den USA schaden, erklärte er in einer im Fernsehen übertragenen Ansprache. "Wir haben unsere eigenen Drohungen, die wir zu gegebener Zeit umsetzen können." Zugleich wandte er sich gegen Israel. Der Iran werde jedes Land und jede Gruppe unterstützen, die eine Konfrontation mit Israel suchten, erklärte Chamenei.
Ein israelischer Angriff auf iranische Atomanlagen könnte möglicherweise schon bald bevorstehen. Laut "Washington Post" rechnet US-Verteidigungsminister Leon Panetta bereits ab dem Frühjahr mit einer solchen Attacke. Panetta gehe davon aus, dass Israel Iran höchstwahrscheinlich im April, Mai oder Juni angreifen könnte, schrieb "Washington-Post"-Kolumnist David Ignatius ohne Angabe von Quellen.
Israel fürchte, dass Iran in Kürze genügend angereichertes Uran in unterirdischen Anlagen lagere, um eine Atombombe zu bauen. Nur die USA hätten dann die Möglichkeit, Iran militärisch zu stoppen, schreibt Ignatius aus Brüssel, wo ein Treffen der Nato-Verteidigungsminister stattfand.
Der Fernsehsender CNN berichtet, ein Regierungsvertreter habe die Angaben bestätigt. Aus amerikanischen, britischen und französischen Regierungskreisen verlautet, die USA und ihre Verbündeten wollten Israel von solch einem Angriff unbedingt abbringen. Ein einseitiger Militärschlag gegen das umstrittene Atomprogramm werde letztlich die Herrschenden in Teheran stärken und nicht schwächen, hieß es zur Begründung. Die USA teilten aber mit Israel die Einschätzung darüber, wann Iran über Atomwaffen verfügen könnte.
Sowohl Panetta als auch das US-Verteidigungsministerium wollten sich zu dem Bericht der "Washington Post" nicht äußern. Der Minister sagte jedoch in Brüssel, Israel habe angedeutet, einen Militärschlag zu prüfen, und Washington habe seine Bedenken geäußert.
US-Senat für schärfere Sanktionen
Der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak hatte am Donnerstag erklärt, die internationale Gemeinschaft könnte bereit sein, einen Militärschlag in Erwägung zu ziehen, sollten die Sanktionen gegen Iran nicht greifen. Dem Militär-Geheimdienstchef Awiw Koschawi zufolge besitzt Iran angereichertes Uran für vier Atombomben. Sollte der Befehl erfolgen, brauche Iran ein Jahr für den Bau einer Kernwaffe. Israel fühlt sich durch das iranische Atomprogramm in seiner Existenz bedroht.
Unmittelbar vor Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz warnt deren Leiter Wolfgang Ischinger vor einem Militärschlag gegen Iran. "Das wäre der Bankrott der Politik und der Diplomatie", sagte er am Freitag im Deutschlandfunk. Es müsse in München darüber geredet werden, ob nach einem Scheitern diplomatischer Bemühungen noch andere als militärische Optionen im Atomstreit mit Iran möglich seien.
Auch Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) hat Israel vor "Abenteuern" - also möglichen Attacken gegen Iran - gewarnt. "Die Lage rund um das Thema Iran und sein Nuklearprogramm ist besorgniserregend", sagte der Minister der Zeitung "Die Welt".
Der US-Senat will die Sanktionen gegen Iran verschärfen. Ein entsprechendes Gesetzesvorhaben passierte am Donnerstag den zuständigen Banken-Ausschuss der Kongresskammer. Die vorgeschlagenen Strafmaßnahmen richten sich unter anderem gegen den iranischen Ölsektor und die Eliteeinheit der Revolutionswächter. Außerdem sind Einreiseverbote und Kontosperren für Personen und Firmen geplant, die Teheran Technologie zur Unterdrückung der Oppositionsbewegung liefern. Im Streit um das Atomprogramm hatte zuletzt die EU ein umfassendes Ölembargo gegen Iran verhängt.
Viele Länder werfen Iran vor, unter dem Deckmantel der Stromerzeugung an Atomwaffen zu arbeiten. Die Regierung in Teheran betont dagegen den friedlichen Charakter seines Programms und das Recht, als souveräner Staat die Atomtechnologie zu entwickeln.
Quelle: spiegel.de