Meinem Empfinden nach ist die "Szene" nicht jetzt erst kleiner geworden, sondern schon vor Jahrzehnten und seitdem mehr oder weniger gleich geblieben. In meiner Generation (Bj. 90) gab es schon immer wenig Leute, die sich mit Schrauben beschäftigen. Wenn ich in meinen Abi Jahrgang zurückschaue, konnte man damals schon an einer Hand abzählen, wie viele Leute mit Roller unterwegs waren. Dementsprechend hat es sich auch weiter entwickelt.
Wenn man sich heute aber umschaut, würde ich nicht zu sehr schwarz malen. Es ist zwar nicht mehr so wie "früher", aber die Auto Szene auf YouTube und Co. ist schon präsent und es gibt eine brutale Menge an Inhalten, von kreativen Ideen über DIY Anleitungen und und und. Vor 20 Jahren war ein Motorswap schon was ganz besonderes, heute kann jeder mit relativ überschaubaren Mitteln einen Chevy LS3 in einen E36 stecken. Also man muss bei dieser ganzen Social Media Diskussionen und allen negativen Aspekten trotzdem anmerken, dass eben diese es auch einfacher gemacht haben, Gleichgesinnte zu finden.
Ich für mich versuche mich von der Perfektions-Schiene zu verabschieden und einfach mehr zu genießen. Also auch weg von einem 0815 daily driver hin zu etwas, das einem regelmäßig Freude bereitet. Zur Zeit ist es (wie damals das erstes Auto) ein 328i Coupe. Relativ original mit Cup Kit und Supersprint ESD. Das analoge Fahren bereitet mir regelmäßig kleine Freuden im Alltag, vom Sechszylinder-Klang bis zu kleinen Drifts oder einfach zügigen Landstraßenfahrten. Und die Kosten für das Auto sind echt überschaubar. Zugegeben, der Zustand könnte in mancher Hinsicht besser sein, weil man halt doch immer mal ne kleine Beule sammelt, sich irgendwo Rost bildet und man manchmal nicht richtig hinterherkommt, aber das ist nichts, was sich nicht irgendwann hinbiegen lässt... und - unpopuläre Meinung - am Ende ist es auch einfach "nur" ein Auto, das ziemlich häufig gebaut wurde. "Don't get it right, just get it running" hab ich in dem Bezug letztens gelesen, fand ich sehr gut.
Die größte Scheiße an unserem Hobby sind für mich genau 4 Dinge:
1. die UNFASSBARE Bürokratie, die einen so viel Geld und so viel Nerven kostet. Angefangen von wirklich einfachen Eintragungen, die zu Wissenschaft gemacht werden und trotzdem nie wasserdicht sind, bis hin zu den absurden Kosten überall. Die Gesetze bzw. die technischen Regelwerke sind so unpräzise Geschrieben, dass 10 Sachverständige 10 verschiedene Meinungen haben. Die Beträge, die mittlerweile für ne normale HU aufgerufen werden, sind geradezu lächerlich und stehen in überhaupt keinem Verhältnis mehr zu den überschaubaren Arbeiten, die so'n TÜV Prüfer erledigt. Das zeigen ja auch die ganzen Prüfstellen, die wie Pilze aus dem Boden schießen... bei dem Stundenlohn ist das ja auch kein Wunder. Wenn ich die Arbeit des Schraubers meines Vertrauens dem gegenüberstelle, der die Schwachstellen von gefühlt Hunderten an Autos aus dem FF kennt, sind seine Skills völlig unterbezahlt.
Dann kommt noch die EU dazu, die unter so krassem Realitätsverlust leidet, dass die ernsthaft eine "Null Verkehrstote" Philosophie für realistisch hält und die aus ihrem Mangel an physikalischen und biologischen Grundlagenkenntnissen mit Gesetzen und Regelwerken um sich schmeißt, die in Kombination mit Umweltauflagen dazu führen, dass Autos einerseits zu Panzern werden müssen, gleichzeitig aber so umweltfreundlich wie ne Sonnenblume sein sollen... und letztendlich dadurch einfach nur für viele Leute unerreichbar werden. Völlig egal ob mit Verbrenner oder Elektromotor.
2. Besonders liquide Menschen aus der "Boomer"-Generation, die Autos nicht mehr als Leidenschaft, sondern als Investment sehen und dadurch die Preise in irre Höhen treiben. Ich verallgemeinere das mal und überzeichne bewusst - mir ist natürlich klar, dass es Ausnahmen gibt, und dass diese Leute auch aus jüngeren Generation kommen können. Gerade aus dieser Boomer Generation gibt es natürlich auch Leute, die über bemerkenswerte handwerkliche Fähigkeiten verfügen und mit denen man die Leidenschaft teilt. Aber es gibt eben auch eine Vielzahl, die sich für Auto Enthusiasten hält, die aber eigentlich entweder nur Euro Enthusiasten oder einfach Sammler sind. Bei denen ist das Auto einfach nur ein Sammelgegenstand wie so'ne Briefmarke, wobei es kaum einen emotionalen Bezug zur Technik gibt. Aus dieser Generation kommt gefühlt auch genau so häufig negatives Gelaber wie aus den ganz jungeren Generationen, wenn nicht häufiger. Den jüngeren ist das Hobby gefühlt egaler. Wirklich negativ sind wenn dann eher die zwischen 40 und 60. Bei meinem Model A Hot Rod z. B. gibt es immer mal wieder Experten, die den Zustand und/oder die Umbauten ganz plump von oben herab belächeln. Dass aber ein originales Model A quasi nix kostet, weil das Interesse gleich Null ist, dass das durchschnittliche originale Model A in "gutem Zustand" in der Regel völlig überrestauriert ist, meistens sehr wenig gefahren wird und mein A mit Spuren aus fast 100 Jahren und den Umbauten, die einen wichtigen Teil der Geschichte dieser Autos darstellen, mindestens den gleichen Erhaltungswert (und viel mehr Unterhaltungswert!) als ein Original hat, dass man unzählige Stunden an Kreativität und Handwerk in das Auto gesteckt hat anstatt einfach nur Teile 1:1 zu tauschen... geschenkt.
3. Auto Poser, die immer die gleichen Straßen rauf und runter fahren. Auf den ersten Blick könnte man sie für vermeintliche Auto-Fans halten. Aber eigentlich sind es nur Aufmerksamkeits-Fans, bei denen das Auto Mittel zum Zweck ist.
4. die heuchlerische Entwicklung der Auto Branche ansich in vielerlei Hinsicht. Jedes Auto ist derart vollgeballert mit Scheiße, die kein Mensch braucht. Dazu noch bleischwer, mit künstlich erzeugten Emotionen gepimpt und inklusive dem Risiko einer Privatinsolvenz, weil die Autos technisch aufs absolute Minimum abgespeckt und daher maximal unzuzverlässig sowie kaum noch reparierbar sind.
Insgesamt ist ein Auto oder Motorrad für mich persönlich auch immer eine Art leere Leinwand und ein aus wirtschaftlicher Sicht nötiger technischer Kompromiss, den der OEM Hersteller aus wirtschaftlicher Sicht eingehen musste. Auf dieser Leinwand kann ich meine eigene Kreativität ausleben, z. B. durch eine gewisse Kombination von Teilen, Eigenbauten oder anderen handwerklichen Projekten.